Unterwegs nach Vancouver - Teil I

Denkst du über ein Auslandssemester in Nordamerika nach? Komm mit auf meine Reise von den USA nach Kanada und nimm unterwegs ein paar Inspirationen und praktische Tipps mit! Das Studium in Kanada soll ziemlich anspruchsvoll sein, deshalb nehmen wir die entspannte Route dorthin.

Nach dem Flug über den Atlantik bereise ich Nordamerika mit öffentlichen Verkehrsmitteln. (Foto: privat)

Bürokratie und Biometrie

Ein Studium im Ausland erfordert enorm viel Planung. Für mich bedeutete es, dass ich mich auf eine monatelange Reise durch die USA vom tiefen texanischen Süden bis nach Toronto in Kanada vorbereiten musste - alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie die meisten meiner Reisen begann auch diese ganz gut organisiert, wurde kurz vor der Abreise zum Chaos und entpuppt sich im Nachhinein als schillernd. Teilweise hängt diese Wahrnehmung mit meinem selektiven Gedächtnis zusammen, das sich nur an die guten Dinge erinnert, die auf meinen Reisen passieren.

Schon einen Monat nach meiner offiziellen Immatrikulation an der Humboldt-Universität habe ich angefangen, mich für das nordamerikanische Austauschprogramm zu bewerben. Man muss mit dem Bewerbungsprozess auch fast ein Jahr vor dem Austausch beginnen. Glücklicherweise wurde ich für die direkten Austauschprogramme an der Humboldt- und der Freien Universität angenommen, und zufälligerweise auch in beiden Programmen für Kanada nominiert! Das ist großartig, denn so kann ich die Ostküste (Toronto) und die Westküste (Vancouver) sehen. Die kanadische Studiengenehmigung zu erhalten, war für jemanden, der an die deutsche Bürokratie gewöhnt ist, extrem einfach. Alles ist online, ich musste nur meine biometrischen Daten in einem Büro in Berlin abgeben. Das Einzige, was mich gestört hat, war, dass ich 10.000 Dollar auf meinem Bankkonto nachweisen sollte – die hatte ich natürlich nicht.

Strichcodes und Schusswaffen

Naja, ich habe das Formular einfach nicht hochgeladen und hatte das Glück, damit durchzukommen. Man erhält dann einen Strichcode, den man den Einwanderungsbeamt*innen am Flughafen zeigt. Die Studienerlaubnis wird direkt vor Ort ausgedruckt. Das ist alles, was man für den Aufenthalt in Kanada braucht. Wenn man während des Austauschs auch arbeiten möchte, muss man einfach online eine National Insurance Number beantragen. Was die Finanzierung angeht, habe ich mich für Förderung vom DAAD beworben, die ich leider nicht bekommen habe. Ich habe aber ein Promos-Stipendium, das zwar nicht viel ist, aber besser als nichts (eine einmalige Zahlung von 1.300 Euro). Das Tolle in Kanada ist, dass man automatisch eine staatliche Krankenversicherung hat, wenn man an der Universität studiert. Sie kostet etwa 240 Dollar pro Semester.

Ich habe von Freunden gehört, dass das Studium in Kanada ziemlich anstrengend ist. Deshalb wollte ich ein wenig reisen und Freunde und Verwandte besuchen, bevor ich mein Studium aufnehme. Meine Reise begann in Houston, Texas, und endete erst einmal in Toronto, wo ich während meines ersten Semesters in Kanada gewohnt habe. Meinen transatlantischen Flug hatte ich lange im Voraus gebucht, um ein gutes Angebot zu bekommen. Um noch mehr zu sparen, habe ich außerdem entschieden, nur mit Handgepäck zu reisen.

In Houston konnte ich einige tolle Erfahrungen machen. Ich stellte zum Beispiel fest, dass dort niemand - außer mir - zu Fuß unterwegs war und dass es buchstäblich keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. Morgens kam nur ein Bus vorbei, der mich ins Stadtzentrum brachte. Ein zweiter Bus holte mich abends wieder ab. Der erste Ort, an den mich meine Verwandten mitnahmen, war ein Schießstand. Nachdem ich eine 30-sekündige Einführung in die Handhabung einer Waffe und das Nachladen erhalten hatte, wurde ich vor meinem Ziel aufgestellt und mit einer riesigen Waffe und 50 Kugeln allein gelassen. Definitiv eine ungewöhnliche Erfahrung.

Mein "Zimmer" in Toronto. (Foto: privat)

Verkehrsmittel und Vermieter

Nachdem ich Houston verlassen hatte, besuchte ich New Orleans mit seinem großartigen Essen, den wilden Partys und der faszinierenden Architektur. Anschließend nahm ich einen Zug nach Memphis, das ich am offiziellen Todestag von Elvis Presley erreichte. Für diejenigen, die Elvis nicht kennen: Memphis ist der Ort, an dem er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat und wo sich seine berühmte Graceland-Ranch befindet. Ich habe die Farm nicht besucht, weil die Tickets unglaublich überteuert sind. Dafür habe ich das sehr empfehlenswerte National Civil Rights Museum gesehen, das sich in dem Hotel befindet, in dem Martin Luther King erschossen wurde. Von Memphis aus fuhr ich über 20 Stunden lang mit einem Greyhound-Bus in die Hauptstadt. Diese Verbindung kann ich nicht empfehlen – vor allem, wenn man am Ende (wie ich) neben jemandem sitzt, dem sein Meth-Trip nicht gut bekommt.

Nach ein paar Tagen in D.C. nahm ich einen Flixbus nach New York City. Der war viel besser und sauberer als der Greyhound. Über diese Stadt ist schon viel geschrieben worden und ich bin mir sicher, dass andere Leute dafür bessere Worte gefunden haben als ich es könnte. Während ich meine letzten Tage in Manhattan genoss, wurde mir klar, dass ich in Toronto keine Bleibe hatte. Drei Tage vor der Abfahrt meines Zuges fing ich an, panisch die Zimmeranzeigen auf Facebook Marketplace zu durchforsten, die alle bei um die 1.500 Dollar pro Monat lagen. Ich begann zu fürchten, dass der nächste Monat ziemlich teuer werden könnte. Einen Tag vor meiner Abreise habe ich mich an eine Website erinnert, von der mir mal ein Freund erzählt hat: Man meldet sich an, um bei anderen Leuten zu Hause zu arbeiten und kostenlos zu wohnen und zu essen. Der Account war schnell erstellt und ich habe direkt Kontakt zu acht Personen in Toronto aufgenommen. Da die Leute auf diesen Plattformen in der Regel eine Weile brauchen, um zu antworten, war ich schon drauf und dran, ein Hostelbett zu buchen. Ein bisschen Hoffnung hatte ich aber noch in die Workaway-Website. Und ob du es glaubst oder nicht: Gerade als ich in den Zug nach Toronto steigen wollte, kam eine positive Antwort!

Aussichtsreiche Ankunft

Ich hatte eine sehr entspannte Fahrt, bei der ich mit einem alten MTrack-Zug, der wie ein Retro-Modell aus den 60er Jahren aussah, langsam mit 100 km/h durch das Grasland des Staates New York fuhr. Wir passierten die Niagarafälle und fuhren am Ontariosee entlang, bis wir in Toronto hielten. Es dämmerte bereits, als ich in der Gemeinschaftsunterkunft ankam, wo ich herzlich empfangen wurde und leckeres Essen bekam. Es handelte sich um eine in Toronto ansässige vegane Gemeinschaft, die Hilfe bei Bauarbeiten benötigte. Mein Gastgeber führte mich dann die Treppe zum Dach des Hauses hinauf, wo ich zu meiner Überraschung eine kleine Jurte am Rande des Daches fand. Diese sollte für die ersten Monate mein "Zimmer" in Kanada sein.

(Veröffentlicht: 05.12.2022)

Lennart

Ich bin Masterstudent im Global-History-Doppelstudiengang der HU und der FU. Mein Studienschwerpunkt sind die Entwicklung und der Nationalismus im Südasien des 20. Jahrhunderts. Derzeit mache ich ein Auslandssemester an der University of British Columbia, Vancouver, Kanada.

Zur Übersichtsseite

HU-Botschafter*innenprogramm auf Instagram