Teil II - Faszinierender Campus auf geraubtem Land

Der Campus der University of British Columbia liegt direkt an der Küste des Pazifischen Ozeans. Komm mit dorthin und erfahre mehr über seine bewegte Geschichte, faszinierende Architektur und pulsierendes Studentenleben!

Im 'Student Nest' der UBC. (Foto: privat)

Ankunft in ‘Raincouver’

Nach Weihnachten war die erste Hälfte meines Auslandsjahres vorbei. Meine Zeit in Toronto war zu Ende und ich packte meine Koffer, um an die Westküste Kanadas zu ziehen. Die ersten beiden Dinge, die mir bei meiner Ankunft in Vancouver auffielen, waren der Regen und der Temperaturunterschied von fast 25°C im Vergleich zu Toronto, wo es in den letzten Wochen konstant -15°C hatte. Ich lernte schnell, dass ich mich an die milden Temperaturen und den Dauerregen gewöhnen sollte, da beides typisch für die Wintersaison in Vancouver ist. So typisch, dass die Einwohner*innen von Vancouver - auch Vancouverites genannt - ihre Stadt oft als ‘Raincouver’ bezeichnen. Und ja, es regnet fast jeden Tag die ganze Zeit.

Vancouver liegt am Pazifischen Ozean, und der Universitätscampus ist nur 30 Autominuten vom Stadtzentrum entfernt. Er liegt direkt an der Küste, umgeben von wunderschönen Wäldern, mit eigenen Stränden und einer eigenen Infrastruktur. Dieser atemberaubende Ort wurde einst von indigenen Gemeinschaften bewohnt. Doch das Land, auf dem die University of British Columbia (UBC) heute steht, wurde ihnen geraubt. Als Teil der Versöhnungsbemühungen der Universität beginnt daher jede Konferenz, Präsentation oder Kurseinführung mit einer Anerkennung dieser Tatsache, die wie folgt lautet:

"Wir möchten zunächst anerkennen, dass das Land, auf dem wir uns versammeln, das unbestrittene Territorium der Coast Salish Peoples ist, einschließlich der Territorien der xwməθkwəy̓əm (Musqueam), Skwxwú7mesh (Squamish), Stó:lō und Səl̓ílwətaʔ/Selilwitulh (Tsleil- Waututh) Nations."

Über die letzten Jahre wurden verschiedene Totempfähle auf dem Campus aufgestellt, um an die indigenen Bewohner*innen zu erinnern, denen das Land einst gehörte.

Versöhnungsbemühungen auf geraubtem Land

Die frühere Präsenz dieser Gemeinschaften auf dem heutigen UBC-Campus wurde in den letzten Jahren deutlicher sichtbar gemacht. Auf dem Campus wurden verschiedene Totempfähle aufgestellt und Wegweiser in verschiedenen Sprachen der Ureinwohner*innen angebracht. Das reiche kulturelle Erbe der First-Nation-Gemeinschaften der kanadischen Westküste wird auch im Anthropologischen Museum der UBC ausgestellt. Es gibt verschiedene Zentren, die Informationen über die Kultur der Ureinwohner*innen und ihre Sprachen vermitteln. Darüber hinaus bietet die Universität Clubs und Dienstleistungen an, die auf Studierende indigener Abstammung zugeschnitten sind. Dies sind jedoch nur kleine Schritte in einem langen Prozess: Kanada muss sich mit einer komplizierten und oft brutalen Vergangenheit in Bezug auf seine indigenen Gemeinschaften auseinandersetzen.

Jetzt aber zurück zu den schöneren Seiten des UBC-Campus! Angesichts seiner Größe könnte man ihn eher als Kleinstadt beschreiben, denn es dauert mehr als eine Stunde, um von einer Seite zur anderen zu laufen. In meiner ersten Woche an der UBC brauchte ich ewig, um von einem Kurs zum nächsten zu kommen, da die Seminarräume über den ganzen Campus verteilt sind. Das Gelände ist eine spannende Ansammlung verschiedener architektonischer Stile. Das erste Gebäude stammt aus dem Jahr 1910, als die Universität gegründet wurde. Ein Bauboom setzte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein, da zuvor Arbeitskräfte und finanzielle Mittel fehlten. Seitdem sind jedes Jahr neue Gebäude auf dem Campus hinzugekommen.

Privilegien für Masterstudierende im Buchanan Tower. (Foto: privat)

Spannende Architektur und kostenloser Kaffee

Eine der wichtigsten Strukturen ist das Student Nest, das sich in der Mitte des Campus befindet. Das Nest ist ein großes Gebäude, das speziell für Studierende konzipiert wurde. Es beherbergt große Freiflächen, Restaurants, Studirendenclubs, Lebensmittelgeschäfte, Friseurläden und Lernräume. Das UBC-Studi-Radio und die Campus-Zeitung "Ubyssey" haben hier auch ihren Sitz. Neben dem Nest befindet sich das Life Building, in dem mehrere Clubs untergebracht sind, z. B. der Fotografie-Club und die UBC Film Association, die jeden Donnerstag kostenlose Filmvorführungen anbietet. Im Untergeschoss befindet sich außerdem ein von Studierenden geführtes Restaurant, das günstige Mahlzeiten anbietet. Zwischen dem Life Building und dem Nest liegt ein Kunstrasenplatz, das MacInnes Field, auf dem sich Studierende treffen, um gemeinsam verschiedenste Sportarten zu betreiben.

Mein Fachbereich, Geschichte, ist nur wenige Gehminuten vom Life Building entfernt und befindet sich im 12. und 13. Stock des Buchanan Tower. Von dort aus hat man an den seltenen klaren Tagen einen atemberaubenden Blick auf den gesamten Campus und den Ozean. Als Masterstudent habe ich Zugang zum Graduiertenraum, in dem ich meine Bücher aufbewahren, lernen oder einfach mit anderen Geschichtsstudierenden abhängen und kostenlosen Filterkaffee trinken kann. Jeden Freitag gehen alle Geschichte-Masterstudierenden ins Koerner's Pub neben dem Buchanan Tower.

Nur zehn Gehminuten vom Buchanan Tower: Wreck Beach mit Blick auf die Bucht von Vancouver. (Foto: privat)

Regenwald, Strände und Eishockey

Wenn man sich eine Pause vom Studium gönnen möchte, empfiehlt sich der Wreck Beach, der nur zehn Minuten vom Fachbereich Geschichte entfernt liegt. Nachdem man durch ein Regenwaldgebiet gelaufen ist, überrascht der Strand mit einem wunderbaren Blick auf die Vancouver Bay und einige umliegende Inseln. Für diejenigen, die beim Sport Lieber zuschauen als selbst welchen zu treiben, bieten die Universitätsteams öffentliche Eishockey-, Lacrosse-, Fußball- und Rugbyspiele an. Letzten Freitag hatte ich die Gelegenheit, ein Spiel des Frauen-Eishockeyteams, der UBC Thunderbirds, zu sehen. Manchmal waren die Eishockeypucks und die Spielerinnen so schnell unterwegs, dass es schwierig war zu erkennen, wer gerade angriff. Die vielen Aktivitäten, die der Campus bietet, machen es manchmal echt schwer, ihn zu verlassen!

(Veröffentlicht: 23.01.2023)

Lennart

Ich bin Masterstudent im Global-History-Doppelstudiengang der HU und der FU. Mein Studienschwerpunkt sind die Entwicklung und der Nationalismus im Südasien des 20. Jahrhunderts. Derzeit mache ich ein Auslandssemester an der University of British Columbia, Vancouver, Kanada.

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