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Nie al­lein: In Bo­lo­gna wird Ge­mein­schaft groß­ge­schrie­ben

Alleine ins Ausland – werde ich mich dort wohlfühlen oder vielleicht doch eher einsam? Die Frage ging mit vor dem Austauschsemester viel durch den Kopf. Inzwischen kann ich sagen, dass das Leben in Bologna sehr gesellig ist. Wie das im Alltag aussieht, liest du hier.

Ob im Nachbarschaftscafé oder, wie hier, beim Kinoabend auf der Piazza Maggiore: In Bologna ist man Teil einer Gemeinschaft. Foto: privat

In Bologna ist man eigentlich nie allein, wenn man es nicht unbedingt darauf anlegt. Wer hierher kommt, merkt schnell: Die Stadt lebt regelrecht von der Gemeinschaft. Das habe ich auch beim Studium hier direkt so erlebt, weil die Kurse stark auf Dialog und Austausch ausgelegt sind.

Die Universität als Ort der Begegnung – und als Kochstudio

Die meisten Lehrveranstaltungen sind als Vorlesungen organisiert und man wird häufig dazu aufgefordert, verschiedene Themen im Plenum zu debattieren. Dadurch kommt man gefühlt auch in den Pausen schneller ins Gespräch. Ich kannte schon nach einer Woche die meisten anderen Studierendem in meinem Kurs – sowohl andere Austauschstudierende als auch die italienischen Vollzeitstudent*innen, mit denen ich auch außerhalb der Uni viel unternehme.

Außerdem bietet die Universität unter anderem eine Programmreihe an, bei der man über gemeinsame Interessen und über die eigenen Fakultätsgrenzen hinaus Kontakte knüpfen kann, beispielsweise bei einem mehrwöchigen Theaterworkshop. Mir persönlich hat aber besonders ein Tortellini-Kochkurs gefallen, da ich dort zum ersten Mal die gelebte Gemeinsamkeit in Bologna so richtig bemerkt habe.

Gemeinsam und mit Sorgfalt, aber auch mit vielen netten Gesprächen und Gelächter, haben wir dabei an einer langen Tafel mitten im Korridor der Geisteswissenschaftlichen Fakultät unsere Tortellini zubereitet. Hier und da schauten andere Studierende vorbei, wurden in Gespräche eingebunden und halfen mit – alle waren eingeladen.

Für mich ein Aha-Erlebnis: Der Tortellini-Kochkurs auf dem Flur der Geisteswissenschaftlichen Fakultät. Foto: privat

Anschluss und Anteilnahme in der Nachbarschaft

Auch in meiner Nachbarschaft kann ich diese Offenheit immer spüren: Ziemlich schnell kannten mich nicht nur meine Nachbar:innen, sondern auch die Leute aus den umliegenden Häusern und natürlich alle Kinder der Nachbarschaft. Alle nehmen sich immer Zeit für ein kurzes Gespräch – wie es so geht, dass schon wieder die Busfahrer:innen streiken… und übrigens, hast du schon vom Stadtfestival nächstes Wochenende gehört?

Für die Menschen hier ist man nicht einfach ein:e Besucher:in auf Zeit und es spielt auch keine Rolle, ob man nun Italienisch spricht oder nicht – zur Not verständigt man sich mit Hand und Fuß. Inzwischen war ich schon bei meinen Nachbarn zum Essen eingeladen und war ein paar Mal mit dem Paar aus dem ersten Stock zu einem Aperitivo aus.

Auch beim Bäcker, dem Café um die Ecke und dem Lieblingseisladen wird man schon ab dem zweiten Besuch zur Stammkundin. Als ich einmal davon erzählte, dass an diesem Tag mein Midterm-Exam ansteht, wurde ich beim nächsten Besuch direkt gefragt, wie es gelaufen ist. Als ich erzählte, dass ich mit voller Punktzahl bestanden habe, hat sich die Bedienung direkt für mich gefreut. Diese Anteilnahme am Leben Anderer berührt mich immer wieder und ist der Grund, warum ich mich in Bologna so wohlfühle.

Marathon durch die Stadt: In Bologna dürfen auch Hunde mitlaufen. Hauptsache, alle haben Spaß. Foto: privat

Feiertage, Feste und Filmnächte – Hauptsache gemeinsam!

Auch auf städtischer Ebene findet das Leben in großen Teilen in der Öffentlichkeit statt: Es ist eigentlich immer etwas los. Auch abseits von Feiertagen wie der Festa della Liberazione (25. April) oder der Festa della Repubblica (2. Juni) wird der Hauptplatz der Stadt wahlweise zum Konzertgelände, zum Open-Air Kino, zum Eventspace für Podiumsdiskussionen oder zum Start und Ziel diverser Stadtläufe.

Eins meiner Highlights war der StraBologna-Lauf, ein Städtemarathon mit verschiedenlangen Strecken. Es ging dabei nicht um die besten Zeiten – viele Teilnehmende sind einfach durch die Stadt spaziert, mit Kinderwagen oder mit Hund. Vielleicht sind ein paar Menschen wirklich gelaufen, aber am Ende zählte nur, dass man Geld für wohltätige Zwecke sammelt und nebenbei noch einen gemeinsamen Spaziergang durch die engen Gassen der Stadt macht. Ähnlich ist es bei anderen Aktivitäten auch: Einmal monatlich organisieren Freiwillige eine sogenannte "Cantata", bei dener man gemeinsam Lieder singt. Auch hier geht es nicht darum, dass man besonders gut singen kann oder die Liedtexte kennt. Hauptsache, man hat Spaß zusammen.

Und so lerne ich in Bologna, wie Gemeinschaft in einer Stadt auch aussehen kann. In den großen und kleinen Momenten, im direkten Umfeld und als Community eines Wohnorts – die Gemeinschaft ist es, was Bologna besonders macht für mich und weshalb ich mich hier nie alleine fühle.

30.06.2025

    • Va­nes­sa in Bo­lo­gna

      HU-Botschafter:innen

      Hi, ich bin Vanessa und an der HU studiere ich Sozialwissenschaften im Bachelor. Im vierten Semester meines Studiums besuche ich die älteste Universität Europas, die Universität von Bologna. Ich freue mich darauf, euch ein bisschen bei meinem Studienalltag mitzunehmen!

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